Immer wieder viel diskutiert sind die Muskelfasern
und deren Zusammensetzung und Bedeutung.
Schade daran ist, dass trotz des Wissens um die
verschiedenen Muskelfasern die meisten Trainingseinheiten in
Mannschafts- und Individualsportarten falsch ausgelegt sind und sogar
der sportlichen Leistungsfähigkeit entgegenwirken.
Wer keine Lust hat sich den Artikel durchzulesen, kann sich alle wichtigen Informationen in dieser 3 teiligen Videoserie anschauen.
Vorab sei gesagt, Ja es stimmt!, die
Muskelfaserzusammensetzung ist weitgehend genetisch bestimmt. Es ist
jedoch wissenschaftlich noch nicht klar belegt, wobei die Indizien
vermehrt darauf hindeuten. Das ist aber kein Grund für alle, die
glauben, eine für ihren Sport "schlechte"
Faserzusammensetzung zu haben, das Handtuch zu schmeißen.
Denn die
Faserzusammensetzung sagt nichts darüber aus, wie hoch der
Volumenanteil der Fasern untereinander ist, aber mehr dazu später.
Jetzt wird erstmal die Basis des Verständnisses in Form einer
kleinen Einführung zu den verschiedenen Muskelfasertypen geliefert.
Die Muskelfasertypen
Jeder Skelettmuskel besteht aus verschiedenen
Muskelfasern. Diese teilen sich grundsätzlich in zwei verschiedene
Typen auf.
Die Skelettmuskulatur setzt sich also aus den beiden
Muskelfasertypen des Typ I, welche auch als ST für Slow Twitch bezeichnet werden, sowie
des Typ II oder FT für Fast Twitch zusammen.
Die Fasern des Typ II teilen sich noch einmal in zwei
verschiedene Typen auf und zwar den Typ II: A und den Typ II: B, beim
Menschen jedoch als Typ II: X bezeichnet, auf. Der sehr schnelle
Typ II: B ist hier nicht weiter relevant, da dieser beim Menschen
nicht vorkommt.
Der Typ II: A wird auch als "Fatigue Resistent =
FR" (ermüdungsresistent) bezeichnet. Der Typ II: X wird auch
als "fast fatiguing = ff" (schnell ermüdend) bezeichnet,
da dieser im Vergleich zu den Typ II: A schneller ermüdet.
Soweit so gut. Einen Hinweis darauf, warum dies
relevant ist, liefern schon die Beinamen "Slow Twitch" bzw.
"Fast Twitch", was soviel bedeutet, wie langsames bzw.
schnelles Zucken.
Genau das ist es, was für sportliche Leistung und
damit das Training interessant wird.
Denn die Typ I Fasern können in rund 300 ms ihre
maximale Kontraktion erreichen, wohingegen die Typ II Fasern ihre
maximale Kontraktion in 100 ms erreichen können. Das ist ein enormer
Unterschied und macht sich bei schnellkraftorientierten Sportarten
enorm bemerkbar.
Bei einem Sprung vom Boden oder auch bei einem Sprint
muss ich bspw. die gesamte Kraft bzw. Energie, welche ich in die
Aufwärts- bzw. Vorwärtsbewegung stecken möchte, im Allgemeinen in
einem wesentlich kleineren Zeitraum als die 300 ms auf den Boden
übertragen. Je mehr Kraft/Energie ich innerhalb des mir zur
Verfügung stehenden Zeitraums aufwänden kann, desto höher springe
ich bzw. desto schneller komme ich vorwärts.
Die Typ II: A Fasern sind im Vergleich zu den Typ II:
X Fasern ermüdungsresistenter (ausdauernder), dafür kontrahieren
die Typ II: X Fasern noch einmal schneller.
Zu erwähnen ist auch noch, dass hinsichtlich des
maximalen Kraftpotentials die Muskelfasern für sich alleine genommen
sich nicht voneinander unterscheiden.
In folgender Grafik sind mal die verschiedenen
Muskelfasern, geordnet nach ihrer Kontraktionsschnelligkeit und ihrer
Ermüdungsresistenz, aufgeführt.
Kann ich Muskelfasern ineinander umwandeln?
Nun wo wir die Basis über das Verständnis der drei
Muskelfasertypen im menschlichen Skelettmuskel besitzen, stellt sich
die Frage, inwiefern wir die verschiedenen Muskelfasern ineinander
umwandeln können und ob das überhaupt nötig ist.
Die Trainingswissenschaft geht davon aus, dass die
verschiedenen Muskelfasern je nach sportlichem Anforderungsprofil
unterschiedlich stark genutzt werden. Ein Marathonläufer wird primär
die Typ I Muskelfasern nutzen, wohingegen ein Sprinter oder vor allem
ein Hochspringer primär die Typ II: X Muskelfasern nutzen wird.
Heutzutage geht man davon aus, dass eine Umwandlung
vom Typ I, der langsamen, zu den Typ II, den schnellen Fasern, nicht
durch Training möglich ist oder zumindest die Voraussetzungen für
diese Art der Umwandlung nicht mit der Steigerung der sportlichen
Leistungsfähigkeit vereinbar sind.
Die umgekehrte Umwandlung von Typ II zu Typ I ist
jedoch durch ein spezifisches Ausdauertraining möglich. Für viele
Spielsportarten (Basketball, Fußball, Football, Volleyball u.ä.)
ist diese Art der Umwandlung natürlich absolut unerwünscht.
Betrachten wir also nun eine weitere Form möglicher
Umwandlungen und zwar die zwischen Typ II:A zu Typ II: X und
umgekehrt und fragen uns, ob das möglich ist.
Die Antwort darauf lautet, ja, man geht davon aus,
dass man einen genetisch definierten Grundstock von Typ II: X Fasern
besitzt. Durch bspw. ein Krafttraining werden diese aufgrund der
Reizkonfiguration eines Krafttrainings innerhalb weniger Monate zu
Typ II: A Fasern umgewandelt und neigen im Anschluss zu einer
verstärkten Hypertrophie. Unter
Hypertrophie versteht man die Muskelquerschnittvergrößerung oder in
diesem Fall die Vergrößerung des Typ II: A Faserquerschnitts.
Wird das Krafttraining dann abgesetzt, findet eine allmähliche
Rückumwandlung von den Typ II: A hin zu den Typ II: X Fasern statt.
Diese Rückumwandlung ging in Versuchen soweit, dass
der Anteil der Typ II: X Fasern über den ursprünglich genetischen
Grundstock hinaus geht.
Man geht jedoch davon aus, dass dieser genetische
Basiswert von Typ II: X Fasern im weiteren zeitlichen Verlauf wieder
erreicht wird.
Es stellt sich nun die Frage, warum man überhaupt
ein Krafttraining absolviert, wenn hierdurch doch Typ II: X in Typ II:
A Fasern umgewandelt werden. Der Grund liegt darin, dass schnellkräftige Bewegungen im Allgemeinen gegen einen äußeren
Widerstand ablaufen, bspw. beim Sprung gegen das eigene Körpergewicht. Das
heißt unsere Schnellkraft ist nicht alleine durch die
Kontraktionsgeschwindigkeit begrenzt sondern auch von unserer
Maximalkraft, welche wir durch ein Krafttraining erhöhen. Die
Umwandlung von Typ II: X zu Typ II: A ist dann ein ungewollter
Nebeneffekt, der uns jedoch das schnellere Hypertrophieren der Typ II
Fasern ermöglicht.
Später werde ich noch zeigen, wie man seine Typ II: X
Fasern durch spezielles Training selektiv hypertrophieren kann.
Welche Bedeutung hat dieses Wissen nun für mein Schnellkrafttraining ?
Wir wissen nun, dass wir Muskelfasern des Typ I
nicht durch Training in den Typ II umwandeln können. Die Frage ist
also nun, was bringen uns dann die oben aufgeführten Erkenntnisse ?
Ganz einfach, wir können zwar nicht die Umwandlung
erreichen, jedoch eine SELEKTIVE FASERHYPERTROPHIE. Das
heißt, wir können durch die Wahl des richtigen Trainings erreichen,
dass wir die Fasern des Typ II: A und Typ II: X selektiv
hypertrophieren.
Wir ändern dann zwar
nicht die Faserzusammensetzung, aber verändern den Volumenanteil der
Fasern am gesamten Muskel.
Vereinfacht dargestellt
ist dies jetzt in dem folgenden Schaubild, welches einen
schematischen Querschnitt eines Muskels darstellt zwischen einem
Sportler mit 75% Typ II Fasern und einem auf Kraft/Schnellkraft
Trainierten mit 25% Typ II Fasern.
Wir können also deutlich erkennen, dass der linke
Sportler trotz mehr Typ II Fasern, diese insgesamt ein viel
geringeres Volumen des Muskels bilden, womit dieser schlechtere
Schnellkraftwerte aufweist als der Schnellkraft bzw. Krafttraining
absolvierende Sportler.
Nun kommen wir zu einem noch viel wichtigeren Punkt
und zwar der selektiven Faserhypertrophie innerhalb der Typ II
Fasern. Wir erreichen zwar eine Verbesserung der Schnellkraft durch
das Training der Typ II: A Fasern, jedoch erzielen wir wesentlich
höhere Steigerungen der Schnellkraft, wenn wir Typ II: X Fasern zur
Hypertrophie anregen. Dies gelingt uns nur, wenn wir beim
Schnellkrafttraining absolut ermüdungsfrei sind. Ich kann das nur
noch mal wiederholen, weil es das aller Wichtigste im Bereich der
Schnellkraft ist "Wir müssen beim Schnellkrafttraining ABSOLUT
ERMÜDUNGSFREI sein. Das bedeutet, sobald wir unsere Muskulatur
beim Training "spüren", trainieren wir nicht mehr die Typ
II: X sondern die Typ II: A Fasern. Natürlich ist auch mit
Muskelkater kein effektives Schnellkrafttraining möglich. Des Weiteren muss eine absolute mentale Leistungsbereitschaft vorhanden
sein, damit man auch immer alles gibt.
Die Tatsache, dass wir Schnellkraft im errmüdungsfreien Zustand trainieren müssen, ist auch quasi das Hauptproblem in ALLEN
Mannschaftssportarten im Breiten- und teilweise im
Hochleistungssport. In den meisten Trainingseinheiten werden die Typ II: A
Fasern trainiert, obwohl doch gerade die Hypertrophie der Typ II: X
Fasern die größte Leistungssteigerung verspricht.
Ein Training ausgelegt zur Hypertrophie der Typ II: X
Fasern könnte beispielhaft so ablaufen:
Trainiert werden soll die Reaktivkraft oder in diesem
Beispiel genauer der Kurze-Dehnung-Verkürzungs-Zyklus mithilfe der Drop Jumps. Die Belastungskonfiguration ergibt sich somit zu:
Methode
|
Kurzer DVZ
|
Wiederholungen
|
10 bis 12
|
Pausen zwischen JEDEM Sprung
|
6 sec oder mehr
|
Sätze pro Trainingseinheit
|
3 bis 5
|
Serienpausen
|
10 Minuten und mehr
|
Bewegungsausführung
(Kontraktionsgeschwindigkeit)
|
Maximal explosiv
|
Kontraktionsdauer
(Bodenkontaktzeit)
|
Weniger als 170ms
|
Man beachte besonders die Pausen zwischen jeder
Wiederholung, mehr als 6 Sekunden und die Pausen zwischen den Sätzen
von über 10 Minuten.
Und mit Pause ist hier auch wirklich Pause gemeint,
d.h. in der Zeit darf ich die jeweilige Muskelgruppe, in diesem Fall
die Beinmuskulatur, nicht benutzen. Ich wäre bei dieser
Trainingseinheit also 60 Minuten beschäftigt und mache insgesamt nur
50 Sprünge.
Ich kann natürlich in diesem Beispiel innerhalb der
10 Minuten Serienpause Arm-/Schulterübungen oder Klimmzüge
absolvieren.
Genau jetzt sollte klar werden, warum so viele
Menschen unter ihrem Schnellkraftpotential bleiben, weil sie quasi
nie ihre Typ II: X Muskelfasern trainieren, sondern immer die Typ II:
A Muskelfasern oder schlimmer durch exzessive Trainingseinheiten ihre
Typ I Fasern oder sogar Typ II in Typ I Fasern umwandeln.
Ein Training der Schnellkraft ist kontraintuitiv,
ein gutes Schnellkrafttraining ist das Training, was sich nicht wie
"Training" anfühlt.
Quellen:
- Billeter, R. & Hoppeler, H (2003). Muscular basis of strength. In: Komi, P.V. (Ed), Strength and Power in Sport (2nd Edition), 50-72, Malden (USA): Blackwell Science
- Schmidtbleicher, Dietmar (o. J.) Grundlagentheorie des Krafttrainings
- Schmidtbleicher, D. (1994). Training din Schnellkraftsportarten. In: Komi, P. (Hrsg.), Kraft und Schnellkraft im Sport, 374-387. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag
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