Seiten

Mittwoch, 18. Juli 2012

Muskelfasertypen und deren Bedeutung im Sport




Immer wieder viel diskutiert sind die Muskelfasern und deren Zusammensetzung und Bedeutung.
Schade daran ist, dass trotz des Wissens um die verschiedenen Muskelfasern die meisten Trainingseinheiten in Mannschafts- und Individualsportarten falsch ausgelegt sind und sogar der sportlichen Leistungsfähigkeit entgegenwirken.
Wer keine Lust hat sich den Artikel durchzulesen, kann sich alle wichtigen Informationen in dieser 3 teiligen Videoserie anschauen.


Vorab sei gesagt, Ja es stimmt!, die Muskelfaserzusammensetzung ist weitgehend genetisch bestimmt. Es ist jedoch wissenschaftlich noch nicht klar belegt, wobei die Indizien vermehrt darauf hindeuten. Das ist aber kein Grund für alle, die glauben, eine für ihren Sport "schlechte" Faserzusammensetzung zu haben, das Handtuch zu schmeißen.

Denn die Faserzusammensetzung sagt nichts darüber aus, wie hoch der Volumenanteil der Fasern untereinander ist, aber mehr dazu später. Jetzt wird erstmal die Basis des Verständnisses in Form einer kleinen Einführung zu den verschiedenen Muskelfasertypen geliefert.


Die Muskelfasertypen

Jeder Skelettmuskel besteht aus verschiedenen Muskelfasern. Diese teilen sich grundsätzlich in zwei verschiedene Typen auf.


Die Skelettmuskulatur setzt sich also aus den beiden Muskelfasertypen des Typ I, welche auch als ST für Slow Twitch bezeichnet werden, sowie des Typ II oder FT für Fast Twitch zusammen.
Die Fasern des Typ II teilen sich noch einmal in zwei verschiedene Typen auf und zwar den Typ II: A und den Typ II: B, beim Menschen jedoch als Typ II: X bezeichnet, auf. Der sehr schnelle Typ II: B ist hier nicht weiter relevant, da dieser beim Menschen nicht vorkommt.
Der Typ II: A wird auch als "Fatigue Resistent = FR" (ermüdungsresistent) bezeichnet. Der Typ II: X wird auch als "fast fatiguing = ff" (schnell ermüdend) bezeichnet, da dieser im Vergleich zu den Typ II: A schneller ermüdet.
Soweit so gut. Einen Hinweis darauf, warum dies relevant ist, liefern schon die Beinamen "Slow Twitch" bzw. "Fast Twitch", was soviel bedeutet, wie langsames bzw. schnelles Zucken.
Genau das ist es, was für sportliche Leistung und damit das Training interessant wird.
Denn die Typ I Fasern können in rund 300 ms ihre maximale Kontraktion erreichen, wohingegen die Typ II Fasern ihre maximale Kontraktion in 100 ms erreichen können. Das ist ein enormer Unterschied und macht sich bei schnellkraftorientierten Sportarten enorm bemerkbar.
Bei einem Sprung vom Boden oder auch bei einem Sprint muss ich bspw. die gesamte Kraft bzw. Energie, welche ich in die Aufwärts- bzw. Vorwärtsbewegung stecken möchte, im Allgemeinen in einem wesentlich kleineren Zeitraum als die 300 ms auf den Boden übertragen. Je mehr Kraft/Energie ich innerhalb des mir zur Verfügung stehenden Zeitraums aufwänden kann, desto höher springe ich bzw. desto schneller komme ich vorwärts.
Die Typ II: A Fasern sind im Vergleich zu den Typ II: X Fasern ermüdungsresistenter (ausdauernder), dafür kontrahieren die Typ II: X Fasern noch einmal schneller.
Zu erwähnen ist auch noch, dass hinsichtlich des maximalen Kraftpotentials die Muskelfasern für sich alleine genommen sich nicht voneinander unterscheiden.
In folgender Grafik sind mal die verschiedenen Muskelfasern, geordnet nach ihrer Kontraktionsschnelligkeit und ihrer Ermüdungsresistenz, aufgeführt.


Kann ich Muskelfasern ineinander umwandeln?

Nun wo wir die Basis über das Verständnis der drei Muskelfasertypen im menschlichen Skelettmuskel besitzen, stellt sich die Frage, inwiefern wir die verschiedenen Muskelfasern ineinander umwandeln können und ob das überhaupt nötig ist.


Die Trainingswissenschaft geht davon aus, dass die verschiedenen Muskelfasern je nach sportlichem Anforderungsprofil unterschiedlich stark genutzt werden. Ein Marathonläufer wird primär die Typ I Muskelfasern nutzen, wohingegen ein Sprinter oder vor allem ein Hochspringer primär die Typ II: X Muskelfasern nutzen wird.
Heutzutage geht man davon aus, dass eine Umwandlung vom Typ I, der langsamen, zu den Typ II, den schnellen Fasern, nicht durch Training möglich ist oder zumindest die Voraussetzungen für diese Art der Umwandlung nicht mit der Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit vereinbar sind.
Die umgekehrte Umwandlung von Typ II zu Typ I ist jedoch durch ein spezifisches Ausdauertraining möglich. Für viele Spielsportarten (Basketball, Fußball, Football, Volleyball u.ä.) ist diese Art der Umwandlung natürlich absolut unerwünscht.
Betrachten wir also nun eine weitere Form möglicher Umwandlungen und zwar die zwischen Typ II:A zu Typ II: X und umgekehrt und fragen uns, ob das möglich ist.
Die Antwort darauf lautet, ja, man geht davon aus, dass man einen genetisch definierten Grundstock von Typ II: X Fasern besitzt. Durch bspw. ein Krafttraining werden diese aufgrund der Reizkonfiguration eines Krafttrainings innerhalb weniger Monate zu Typ II: A Fasern umgewandelt und neigen im Anschluss zu einer verstärkten Hypertrophie. Unter Hypertrophie versteht man die Muskelquerschnittvergrößerung oder in diesem Fall die Vergrößerung des Typ II: A Faserquerschnitts. Wird das Krafttraining dann abgesetzt, findet eine allmähliche Rückumwandlung von den Typ II: A hin zu den Typ II: X Fasern statt.
Diese Rückumwandlung ging in Versuchen soweit, dass der Anteil der Typ II: X Fasern über den ursprünglich genetischen Grundstock hinaus geht.
Man geht jedoch davon aus, dass dieser genetische Basiswert von Typ II: X Fasern im weiteren zeitlichen Verlauf wieder erreicht wird.
Es stellt sich nun die Frage, warum man überhaupt ein Krafttraining absolviert, wenn hierdurch doch Typ II: X in Typ II: A Fasern umgewandelt werden. Der Grund liegt darin, dass schnellkräftige Bewegungen im Allgemeinen gegen einen äußeren Widerstand ablaufen, bspw. beim Sprung gegen das eigene Körpergewicht. Das heißt unsere Schnellkraft ist nicht alleine durch die Kontraktionsgeschwindigkeit begrenzt sondern auch von unserer Maximalkraft, welche wir durch ein Krafttraining erhöhen. Die Umwandlung von Typ II: X zu Typ II: A ist dann ein ungewollter Nebeneffekt, der uns jedoch das schnellere Hypertrophieren der Typ II Fasern ermöglicht.
Später werde ich noch zeigen, wie man seine Typ II: X Fasern durch spezielles Training selektiv hypertrophieren kann.


Welche Bedeutung hat dieses Wissen nun für mein Schnellkrafttraining ?

Wir wissen nun, dass wir Muskelfasern des Typ I nicht durch Training in den Typ II umwandeln können. Die Frage ist also nun, was bringen uns dann die oben aufgeführten Erkenntnisse ?

 

Ganz einfach, wir können zwar nicht die Umwandlung erreichen, jedoch eine SELEKTIVE FASERHYPERTROPHIE. Das heißt, wir können durch die Wahl des richtigen Trainings erreichen, dass wir die Fasern des Typ II: A und Typ II: X selektiv hypertrophieren.
Wir ändern dann zwar nicht die Faserzusammensetzung, aber verändern den Volumenanteil der Fasern am gesamten Muskel.
Vereinfacht dargestellt ist dies jetzt in dem folgenden Schaubild, welches einen schematischen Querschnitt eines Muskels darstellt zwischen einem Sportler mit 75% Typ II Fasern und einem auf Kraft/Schnellkraft Trainierten mit 25% Typ II Fasern.



Wir können also deutlich erkennen, dass der linke Sportler trotz mehr Typ II Fasern, diese insgesamt ein viel geringeres Volumen des Muskels bilden, womit dieser schlechtere Schnellkraftwerte aufweist als der Schnellkraft bzw. Krafttraining absolvierende Sportler.
Nun kommen wir zu einem noch viel wichtigeren Punkt und zwar der selektiven Faserhypertrophie innerhalb der Typ II Fasern. Wir erreichen zwar eine Verbesserung der Schnellkraft durch das Training der Typ II: A Fasern, jedoch erzielen wir wesentlich höhere Steigerungen der Schnellkraft, wenn wir Typ II: X Fasern zur Hypertrophie anregen. Dies gelingt uns nur, wenn wir beim Schnellkrafttraining absolut ermüdungsfrei sind. Ich kann das nur noch mal wiederholen, weil es das aller Wichtigste im Bereich der Schnellkraft ist "Wir müssen beim Schnellkrafttraining ABSOLUT ERMÜDUNGSFREI sein. Das bedeutet, sobald wir unsere Muskulatur beim Training "spüren", trainieren wir nicht mehr die Typ II: X sondern die Typ II: A Fasern. Natürlich ist auch mit Muskelkater kein effektives Schnellkrafttraining möglich. Des Weiteren muss eine absolute mentale Leistungsbereitschaft vorhanden sein, damit man auch immer alles gibt.
Die Tatsache, dass wir Schnellkraft im errmüdungsfreien Zustand trainieren müssen, ist auch quasi das Hauptproblem in ALLEN Mannschaftssportarten im Breiten- und teilweise im Hochleistungssport. In den meisten Trainingseinheiten werden die Typ II: A Fasern trainiert, obwohl doch gerade die Hypertrophie der Typ II: X Fasern die größte Leistungssteigerung verspricht.
Ein Training ausgelegt zur Hypertrophie der Typ II: X Fasern könnte beispielhaft so ablaufen:
Trainiert werden soll die Reaktivkraft oder in diesem Beispiel genauer der Kurze-Dehnung-Verkürzungs-Zyklus mithilfe der Drop Jumps. Die Belastungskonfiguration ergibt sich somit zu:

Methode
Kurzer DVZ
Wiederholungen
10 bis 12
Pausen zwischen JEDEM Sprung
6 sec oder mehr
Sätze pro Trainingseinheit
3 bis 5
Serienpausen
10 Minuten und mehr
Bewegungsausführung
(Kontraktionsgeschwindigkeit)
Maximal explosiv
Kontraktionsdauer
(Bodenkontaktzeit)
Weniger als 170ms


Man beachte besonders die Pausen zwischen jeder Wiederholung, mehr als 6 Sekunden und die Pausen zwischen den Sätzen von über 10 Minuten.
Und mit Pause ist hier auch wirklich Pause gemeint, d.h. in der Zeit darf ich die jeweilige Muskelgruppe, in diesem Fall die Beinmuskulatur, nicht benutzen. Ich wäre bei dieser Trainingseinheit also 60 Minuten beschäftigt und mache insgesamt nur 50 Sprünge.
Ich kann natürlich in diesem Beispiel innerhalb der 10 Minuten Serienpause Arm-/Schulterübungen oder Klimmzüge absolvieren.
Genau jetzt sollte klar werden, warum so viele Menschen unter ihrem Schnellkraftpotential bleiben, weil sie quasi nie ihre Typ II: X Muskelfasern trainieren, sondern immer die Typ II: A Muskelfasern oder schlimmer durch exzessive Trainingseinheiten ihre Typ I Fasern oder sogar Typ II in Typ I Fasern umwandeln.
Ein Training der Schnellkraft ist kontraintuitiv, ein gutes Schnellkrafttraining ist das Training, was sich nicht wie "Training" anfühlt.

Quellen:
  1. Billeter, R. & Hoppeler, H (2003). Muscular basis of strength. In: Komi, P.V. (Ed), Strength and Power in Sport (2nd Edition), 50-72, Malden (USA): Blackwell Science
  2. Schmidtbleicher, Dietmar (o. J.) Grundlagentheorie des Krafttrainings
  3. Schmidtbleicher, D. (1994). Training din Schnellkraftsportarten. In: Komi, P. (Hrsg.), Kraft und Schnellkraft im Sport, 374-387. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen