In diesem Artikel geht es darum, wie sich die verschiedenen Muskelgruppen im Körper hinsichtlich ihrer Faserzusammensetzung unterscheiden. Wer keine Lust auf Lesen hat, kann sich dieses 8 minütige Video zum Artikel anschauen.
Zunächst hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung über die Muskelfasern.
Es gibt grundlegend zwei Typen von Muskelfasern die
sog. "Slow Twitch" und "Fast Twitch"
Muskelfasern, was soviel bedeutet wie "langsam zuckend" und "schnell zuckend" und bezieht sich darauf, wie schnell die jeweilige
Muskelfaser die maximale Kontraktion erreicht.
Auch unterscheiden sie sich in weiteren Punkten wie
beispielsweise der Ermüdungsresistenz. Die FT-Fasern ermüden dabei
wesentlich schneller als die ST-Fasern. Wie viele ST und FT-Fasern
ein Mensch besitzt, ist weitgehend genetisch festgelegt und von Mensch
zu Mensch unterschiedlich. Jedoch können wir durch spezielles
Training den Querschnitt der einzelnen Fasern selektiv vergrößern.
Es können nach bisherigen Erkenntnissen keine ST- in
FT-Fasern umgewandelt werden; durch Ausdauertraining können aber FT- in ST-Fasern umgewandelt werden.
Es ist relativ aufwendig das Verhältnis von ST- und FT-Fasern für einen Menschen bzw. genauer, für einen Muskel zu
bestimmen. Hierfür ist eine schmerzhafte und nicht ungefährliche
Muskelbiopsie erforderlich. Diese wird im Allg. nur vorgenommen, wenn
ernsthaftere Erkrankungen zugrunde liegen.Man kann jedoch durch einen Test das Verhältnis der ST- und FT-Fasern "abschätzen", was jedoch nicht sonderlich genau ist. Einfach mal Google diesbezüglich bemühen.
Praktisch gesehen haben wir daher keine Möglichkeit unsere Muskelfaserzusammensetzung eines jeden Muskels zu
bestimmen, wobei die individuellen genetischen Unterschiede für uns als Schnellkraftsportler ohnehin eine untergeordnete Rolle spielen, da
wir sie nach aktuellem Forschungsstand als gegeben hinnehmen müssen.
Uns bleibt also nur übrig, nach allgemeinen
Grundsätzen unser Training aufzubauen und hier kann man ganz klar
die verschiedenen Muskelgruppen hinsichtlich ihrer natürlichen
Beanspruchungsformen einteilen. Dies hilft uns, da die primäre Belastungsform einer Muskelgruppe einen Anhaltspunkt über die ST- und
FT-Faserzusammensetzung geben kann.
Dies ist dann bei allen Menschen gleich, das heißt
auch ein Sprinter wird verglichen mit seiner restlichen Muskulatur im
Körper einen verhältnismäßig hohen Anteil an "Slow Twitch"
Fasern im Bereich des Nackens aufweisen. Warum im Nacken? Weil der
Nacken unseren Kopf den ganzen Tag tragen muss und zu diesem Zweck
eine primär ausdauernde und stützende Muskulatur vorliegen sollte.
Eine ähnliche Abschätzung wie für die Nackenmuskulatur machen wir nun für den Großteil der Skelettmuskeln des
Menschen. Hierbei müssen wir immer schauen, wie wird eine
Muskelgruppe über den Tag gesehen primär genutzt. Überwiegt also
eher eine ausdauernde, länger anhaltende Belastung oder eher eine kurze Belastung.
Dabei kategorisieren wir die Muskelgruppen
hinsichtlich ihrer Faserverhältnisse gemessen an dem persönlichen individuellen "Durchschnittswert".
Muskelgruppe
ST/FT-Fasern
Dominierende Beanspruchung
Waden
ST (- X - - -) FT
Stehen und Gehen
Quadriceps (Beinstrecker)
ST (- - X - -) FT
Stehen,Gehen,Laufen,Springen
Beinbizeps
ST (- - - X -) FT
Laufen, Rennen
Gluteaus (Hintern)
ST (- X - - -) FT
Aufrechter Gang, Stehen, Springen
Brust
ST (- - - X -) FT
Armbewegungen nach vorne, keine andauernden
Belastungen
Schultern
ST (- - - X -) FT
Bewegungen des Armes, Stabilisation des
Schultergelenks
Bizeps&Trizeps
ST (- - - - X) FT
Beugung und Streckung des Armes
Oberer rücken
ST (- - - X -) FT
Oberarmführung nach hinten
Breiterrückenmuskel
ST (- - - X -) FT
Armführung nach unten
Unterarme
ST (- - X - -) FT
Greifen, Halten
Nackenmuskulatur
ST (X - - - -) FT
Stabilisation der HWS, Halten des Kopfes
Andere Rumpfmuskulatur (unterer Rücken, Bauch
u.ä.)
ST (X - - - -) FT
Stabilisation der Wirbelsäule, Kippen und Drehen
des Beckens
Wie wir sehen, haben wir bei den für die
Beinstreckung verantwortlichen Muskelgruppen wie Waden, Beinstrecker und Gluteaus eine leichte Verteilung hin zu den ST-Fasern, im Beinbizeps
haben wir sogar eine leichte Präferenz zu FT-Fasern.
Im Oberkörper haben wir, die Rumpfmuskulatur
ausgenommen, eine sehr deutliche Präferenz hin zu FT-Fasern. Die
Rumpfmuskulatur und die Muskulatur der Wirbelsäule u.a. Nacken und
Rückenstrecker haben einen klare Präferenz für ST-Fasern, da sie
primär haltende und lang andauernde Tätigkeiten vollbringen.
Nehmen wir nun noch hinzu, dass FT-Fasern schneller und
stärker hypertrophieren, sollte klar werden, dass nicht nur fehlendes
oder falsch ausgeführtes Beintraining für den klassischen
"Discopumper-Look" verantwortlich sind, sondern vor allem
die unterschiedlich schnelle und starke Hypertrophie der Muskeln des
Oberkörpers und des Unterkörpers.
Auch wird klar, dass die Rumpfmuskulatur bei einem klassischen Fitnessstudio-Training "3 Sätze, 10 Wiederholungen"
mit einem beliebigen Bauchtrainingsgerät nie die Reizsetzung bekommt, die sie benötigt, um adäquat zu funktionieren.
Im Bereich der Beine und des Oberkörpers gilt für
uns so oder so die Maximierung der Schnellkraft, das heißt, wir können
und wollen das Training nicht auf die ST-Fasern ausrichten, sondern
müssen uns wohl oder übel auf die FT-Fasern konzentrieren, egal wie
hoch ihr Anteil nun letztendlich ist.
Der Anteil determiniert hier primär unser maximales
Leistungspotential, was jedoch aufgrund fehlerhaften Trainings und
Verletzungen sowieso in den seltensten Fällen wirklich erreicht wird
und wie schnell wir Leistungssteigerungen aufgrund von Krafttraining
erwarten können.
Die Rumpfmuskulatur besitzt jedoch eine sehr starke
Ausprägung hin zu ST-Fasern, wodurch wir hier mit einem reinen
FT-Faser-Training keine große Wirkung erzielen und zum anderen eine
sehr schnelle Aktivierung hier nicht in der Form nötig ist, da sie
kaum reflexwirkend tätig ist und bei sportlicher Belastung durchgehend
unter einer hohen Voraktivierung bzw. Grundaktivierung arbeitet.
Die Rumpfmuskulatur bedarf also ein spezielles
Training, was eher in den Bereich Kraftausdauer und später
Kraftausdauer mit Zusatzgewicht fällt.
Für Sportler:
Für Sportler, die Schnellkraft benötigen, ergeben
sich anhand obiger Erkenntnisse nun folgende Schlussfolgerungen.
Krafttraining der Oberkörper- und Unterkörpermuskulatur richtet sich auf die FT-Fasern aus und besitzt seinen
Training"schwerpunkt" in der Entwicklung der Maximalkraft
mit Wiederholungen im Bereich 1-6 mit periodisierten, sinnvoll
eingebauten Hypertrophiephasen mit 8-12 Wiederholungen.
Spezielles Training der ST-Fasern, also lang anhaltende
Belastungsdauer, ist nicht sinnvoll. Sie besitzen zwar ebenfalls ein
kleineres Hypertrophierungspotential und können die Maximalkraft
steigern, jedoch ist die dadurch gewonnene zusätzliche Kraft auf
Schnellkraftdisziplinen nur bedingt übertragbar.
Des Weiteren erhöhen sie bei Hypertrophie das eigene
Körpergewicht, was gepaart mit obigem Effekt dazu führt, dass sich
unsere sportlich nützliche Relativkraft, also die Kraft in Relation
zu unserem Körpergewicht, verschlechtert. Die Relativkraft ist dabei
bei allen Bewegungen, in denen wir unseren Körper beschleunigen
müssen, die ausschlaggebende Größe.
Die Rumpfmuskulatur ist jedoch enorm wichtig für
unsere sportlichen Leistungen und für die Verletzungsprophylaxe sowie
Gesundheit und Lebensqualität im Alter. Wir müssen sie gerade als
Sportler gezielt trainieren und nicht nach dem klassischen Schema "3
Sätzen und 10 Wiederholungen" vorgehen, sondern mit lang anhaltenden statischen sowie teilweise dynamischen
Stabilisationsübungen trainieren.
Für Bodybuilder:
Für Bodybuilder gilt hinsichtlich der
Rumpfmuskulatur Ähnliches wie für Athleten, d.h. die Rumpfmuskulatur
muss hier ebenfalls länger belastet werden. Der Unterschied zum
Athleten liegt darin, dass hier auf viele Übungen zwecks Intensitätssteigerung verzichtet werden kann.
Beispielsweise sind viele Rotationsübungen,
Medizinballarbeit u. ä. Für Bodybuilder effektivitätstechnisch nur
bedingt geeignet. Denn bei diesen Übungen geht es neben dem Training
der Rumpfmuskulatur auch darum, die "Bewegung" an sich zu
lernen, um so die Kräfte zwischen Oberkörper und Unterkörper zum
Boden in verschiedenen räumlichen Positionen zu übertragen.
Nichts desto trotz können natürlich auch
Rotationsübungen zwecks Verletzungsvorbeugung ab und an eingebaut
werden. Der Fokus liegt hier jedoch auf "einfachen" zielführenden Übungen.
Das Oberkörper- und Unterkörpertraining für
Bodybuilder sollte jedoch aufgrund der Faserzusammensetzung teilweise
unterschiedlich ablaufen.
Für den Unterkörper sollte im Rahmen der
Trainingsperiodisierung phasenweise (2-4 Wochen) insb. für die
Waden, Beinstrecker und Gluteaus in höhere Wiederholungsbereich
vorgedrungen werden, um "mehr" ST-Fasern zum Wachstum
zu bringen. Es muss aber klar sein, dass man damit keine Berge bewegen
wird, das Ganze ist eher als "Bonus"-Dreingabe zu verstehen. Man sollte daher aufgrund der geringeren und langsamen Hypertrophie
der ST-Fasern keine Wunder erwarten. Auch sollte man aufpassen, da
eine Umwandlung FT zu ST absolut unerwünscht ist. Diese Technik in
der Periodisierung sollte ebenfalls nur von fortgeschrittenen
Bodybuildern, sagen wir über 3 Jahre Trainingserfahrung, vereinzelt
genutzt werden. Bei kürzeren Trainingszeiten erzielt man definitiv
mit einer gewöhnlichen Periodisierung
Hypertrophie-Maxkraft-Hypertrophie bessere und schneller Ergebnisse.
Bei den Wiederholungszahlen sollte nicht vergessen
werden, dass sie nur ein Hilfsmittel darstellen. Eigentlich geht es uns
um die TUT=Time under Tension, also die Zeit unter Spannung. Die
Wiederholungszahlen sind im Bodybuilding eigentlich nur eine
Approximation der TUT, um es im Krafttraum praktikabler zu gestalten.
Beispielhaft führen wir beim Wadenheben i.d.R. schon 20
Wiederholungen aus, da eine Wiederholung hier wesentlich schneller
geht; kleinere TUT pro Wiederholung als bei einer Kniebeuge.
Wichtiger Hinweis ist das hohe Wiederholungszahlen
NICHT mit Übungen ausgeführt werden sollten, bei denen die Technik
maßgeblich für die Gesundheit des Athleten ist. Dies schließt
beispielsweise Kniebeugen mit Zusatzgewichten und Kreuzheben für
hohe Wiederholungen aus. Daher sollte man sich hier eher mit
Isolationsübungen zufriedengeben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen