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Dienstag, 14. Mai 2013

Das beste Schnellkrafttraining?!?! - Komplextraining (Trainingspläne, Krafttraining, Maximalkraft)

In diesem Video und Artikel möchte ich euch eine enorm effektive Trainingsmethode vorstellen, welche viele Sportler schon zu Topleistungen gebracht hat. Es handelt sich um das sog. Komplextraining.

Video Teil 1:

Video Teil 2:
Komplextraining Teil 2

Was ist Komplextraining?

Komplextraining verbindet das Krafttraining mit dem Schnellkrafttraining, wo i.d.R. auf einen Krafttrainingssatz ein Schnellkrafttrainingssatz folgt. Mit dem Komplextraining können enorme


Steigerungen der Schnellkraft, Explosivkraft und Maximalkraft in vergleichsweise kurzen Zeiträumen erreicht werden. Es eignet sich auch sehr gut, um die im Kraftraum erworbene Kraft effektiv in der sportlichen Zielübung anwenden zu können.
Beim normalen Krafttraining bspw. Kniebeugen dauert es im Allgemeinen etwa 400ms bis überhaupt die Maximalkraft der Muskulatur aufgebaut wurde. Beim Sprint beträgt die Bodenkontaktzeit aber häufig nur 90ms. Das bedeutet, es ist nicht unbedingt die maximale Kraft relevant, sondern vor allem wie schnell man diese Kraft aufbauen kann, also die "Explosivkraft/der Kraftanstieg". Im Englischen ist der Begriff unverwechselbarer, diese Kraft nennt man dort einfach "Rate of Force Development", also die Rate mit der die Kraft aufgebaut wird.

Kommen wir nun zu einem Beispiel wie ein Komplextraining tendenziell aufgebaut ist.
Beispielsweise könnte ein Komplextraining für den Unterkörper so aussehen:
  • 1 Satz Kniebeugen
  • 3-5 Min Pause
  • 1 Satz plyometrische Übung bspw. Tiefsprünge
  • 1,5-4 Min Pause (Pausenlänge abhängig von der Intensität der Schnellkraftübung (Tiefsprünge oder einbeinige Sprünge aus dem Laufen haben eine höhere Intensität als beidbeinige Sprünge aus dem Stand)
  • von vorne
für den Oberkörper könnte ein Komplextraining bspw. so aussehen:
  • 1 Satz Bankdrücken
  • 3-5 Min Pause
  • Medizinball-Brustpässe im Liegen (wenn man schon viel Kraft im Oberkörper hat, auch plyometrische Liegestütze)
  • 1-3 Min Pause
  • von vorne

Für wen ist es geeignet?

  • Für Sportler, die schon Erfahrung mit Krafttraining und Sprungkraft-/Schnellkrafttraining besitzen.
  • Für Sportler, die schon eine gut entwickelte Kraft besitzen. Hier ist vor allem eine gut entwickelte Rumpfkraft eine Grundvoraussetzung.
  • Die klassischen Übungen sollten einwandfrei beherrscht werden insb. Kniebeugen/Kreuz-heben/Bankdrücken (wer sich bei Kniebeugen unsicher ist, kann für den Zeitraum des Komplextrainings bei den hohen Gewichten auch mal die Beinpresse einsetzen)

Die Übungsauswahl

Es wird beim Komplextraining immer eine biomechanisch klassische Krafttrainingsübung mit einer biomechanisch ähnlichen Schnellkraftübung verknüpft bspw. die Kniebeugen zusammen mit den Tiefsprüngen und das Bankdrücken zusammen mit den plyometrischen Liegestützen bzw. Medizinballpässen.
Man kann natürlich auch Schulterdrücken mit Überkopfwürfen kombinieren. Auch kann man Kreuzheben (hüftdominant) in Kombination mit Sprungläufen (ebenfalls hüftdominant) ausführen.

Varianten des Komplextrainings

Es gibt verschiedene Varianten eines Komplextrainings, die man je nach Sportart, Zielsetzung und individuellen Schwächen und Stärken anwenden kann und sollte.
Hier mal ein kurzer Überblick wie man das Komplextraining kombinieren könnte.

Nr.: 1 - Fokus auf Kraft & Explosivkraft
Diese Variante ist für Sportler geeignet, welche schon über gute Reaktivkraftfähigkeiten verfügen, bei denen jedoch Kraft- und Explosivkraftfähigkeiten nicht so gut ausgeprägt sind. Typisch für Basketballer und teilweise auch Volleyballer. Aber auch hier kann man nicht pauschalisieren, da es individuelle Unterschiede gibt.
Das Training würde wie folgt aussehen:
  1. eine langsame Krafttrainingsübung
  2. eine eher explosivkraftlastige Trainingsübung mit etwas längeren Bodenkontakten, z.B. Jumpsquats, olympische Übungen wie Reißen usw.
Nr.: 2 - Klassische Variante
Ist geeignet für Sportler, bei denen Reaktivkraft/Explosivkraft und Kraft in etwa gleich gut ausgeprägt sind. Hier würde man wie folgt vorgehen:
  1. eine langsame Krafttrainingsübung (z.b. Kniebeugen)
  2. eine plyometrischen Übung mit eher kurzen Bodenkontakten (Sprint, Tiefsprünge, Hopser, allg. Sprünge im kurzen Dehnungsverkürzungszyklus usw.)

Nr.: 3 – Für die Kraftmonster
Diese Variante ist geeignet für Sportler, die schon über eine sehr gute Kraftbasis verfügen. Ein Bodybuilder oder einfach ein Kraftsportler würde bspw. so trainieren, um die schon vorhandene jedoch "langsame" Muskelmasse schnellkräftiger zu machen.
Hier würde man den Fokus auf die schnellen Übungen legen und in etwa diese Übungskombinationen wählen:
  1. Explosivkraftübung wie olympische Übungen, Kniebeugen mit 30-50% 1RM, sprich eher "Schnellkraft" oder auch Sprungkniebeugen
  2. zweite Übung dann eine schnelle plyometrische Übung wie Tiefsprünge, Seriensprünge oder auch einfach Sprints.

Nr.: 4 – Die Kombinationsmethode
Sollte eingesetzt werden im Rahmen der spezifischen Vorbereitungsperiode, um die durch das Kraft- und Schnellkrafttraining erworbenen Fähigkeiten auf den Platz/Spielfeld/Bahn zu übertragen. Hier würde man wie folgt vorgehen:
  1. eine langsame Kraftübung bspw. Kniebeugen
  2. eine eher auf Explosivität angelegte Übung bspw. einarmiges Kurzhantelreißen oder Sprungkniebeugen
  3. als dritte Übung eine sportspezifische Übung, welche der Zielübung im Sport möglichst Nahe kommt. Bspw. würde ein Fußballer einen Sprint über 10-20m aus einem langsamen Joggen vollführen, ein Sprinter würde einen Blockstart über 10m absolvieren, der Hochspringer versucht einen maximalen Sprung mit Anlauf und der Basketball macht oder versucht einen Dunking.
Dies wäre also auch eine Variation des Komplextrainings jedoch mit insg. 3 Übungen.

Komplextraining wie und wann anwenden?

Man kann und sollte sogar das ganze Komplextraining auch etwas periodisieren.
Beispielsweise fängt man in den ersten Wochen mit Variante 1 an und arbeitet sich dann innerhalb einer 6-12 wöchigen Periode auf Methode 4 hoch.
Länger als 12 Wochen sollte man das Komplextraining allerdings auch nicht am Stück anwenden. Ich würde es tendenziell eher in einer 4-8 wöchigen Periode vor dem Zielwettkampf anwenden.
Ein Fußballer würde es in den letzten 4-8 Wochen der Off-season jedoch VOR Beginn der ca. 8 wöchigen Saisonvorbereitung ausführen, einfach weil im Rahmen der Saisonvorbereitung sehr viel gelaufen wird und viel Augenmerk auf die Ausdauer und Schnellkraftausdauer gesetzt wird, was sich tendenziell eher nicht so gut mit dem Komplextraining verträgt.

Warum ist Komplextraining so effektiv?

Das Komplextraining verbessert die "Explosivkraft- und Maximalkraftfähigkeiten", da es primär auf die neuronale Aktivierung ausgelegt ist. Bei den Krafttrainingsätzen führt das hohe Gewicht dazu, dass fast alle Muskelfasern insb. die kräftigen Typ 2 und Typ2X Muskelfasern rekrutiert werden.
Daher ist hier ein hohes Gewicht nötig, um diese Rekrutierung zu ermöglichen. Weiterhin werden diese durch das hohe Gewicht dazu gezwungen, möglichst stark zu „feuern“, was nichts anderes bedeutet als diese hochfrequent anzuregen, um so eine möglichst hohe Spannung und damit Kraft in der Muskelfaser zu realisieren.
Hierdurch setzt man das Nervensystem quasi in einen Art "Alarmzustand“ (Erregungszustand) und neuronal hemmende Faktoren, welche normalerweise teilweise verhindern, dass ein Teil der Muskelfasern aktiviert werden, werden abgebaut.
Dieser Effekt führt dazu, dass wir beim nachfolgenden Schnellkrafttrainingssatz von Beginn an unserer Muskelfasern mehr involvieren können, welche zudem ihre Kraft aufgrund der schnellen Bewegungsausführung möglichst früh entfalten.
Dies führt dazu, dass sich die Startkraft, Explsovikraft und je nach Übung auch die Reaktivkraft und damit insg. einfach die Schnellkraft stark verbessern.

Der Grund, warum sich diese beide Trainingsmethoden so gut vertragen, ist der, dass bei beiden prinzipiell die gleichen Anpassungen hervorgerufen werden sollen. Beim Maximalkrafttraining will man die intra- und intermuskuläre Koordination verbessern, welche man ebenfalls verbessern will, wenn man Explosivkraft- bzw. ein Schnellkrafttraining betreibt.

Die Wahl des richtigen Gewichts

Das Gewicht sollte sich an eurem 1-Wiederholungsmaximum der jeweiligen Zielübung richten.
Bei Kniebeugen sollte es zwischen 70-100% liegen. In den ersten Wochen nutzt man eher 70-90%, führt hier aber nicht die vollen Wiederholungen bis zum Muskelversagen durch, sondern bricht nach 2-3 Wiederholungen ab.
Ab einigen Wochen werden dann Gewichte zwischen 90 und 100% des 1 RM genutzt und hier werden die technisch sauberen Wiederholungen ausgereizt. I.d.R. sollte man so bei 1-3 WDH landen.

Trainingsumfang, Sätze und Wiederholungen

Insgesamt kann man 2-6 solcher Komplexe pro Bewegung durchlaufen. Bspw. würde das für Sprinter bedeuten, dass sie 2-6 Sätze Kniebeugen in Kombination mit 2-6 Sätzen Sprüngen absolvieren. Für die Oberkörperschnellkraft würde man äquivalent 2-6 Sätze Bankdrücken/Schulterdrücken in Kombination mit 2-6 Sätzen Medizinballbrustpässen bzw. Überkopfwürfe durchführen.
Die Wiederholungen liegen bei den Krafttrainingsübungen bei etwa 1-3 und bei den Schnellkraftübungen bei etwa 4-6, wobei bei einem Sprint nur eine Wiederholung ausgeführt wird. Es darf hier auf keinen Fall eine starke Ermüdung eintreten, wobei dies mitunter von der jeweiligen Übung abhängt.
Ein Hochspringer würde hier eher 1-2 Anläufe mit Absprung wählen, wohingegen man beidbeinige Seriensprünge auch mit 6 Wdh's ausführen könnte.
Wenn man 3 Übungen wie bei der Komplextrainingvariante Nummer 4 ausführt, sprich Kraft, Explosivkraft und Wettkampfübung, sollte man die Wiederholungszahl der Explosivkraftübung (der mittleren Übung) eher noch etwas reduzieren und im Bereich 2-4 arbeiten.
Das Komplextraining sollte im Allg. nicht häufiger als 1-3x pro Woche ausgeführt werden und mit mindestens 2 Tagen Pause dazwischen. Bspw. Kann man montags und donnerstags sein Komplextraining absolvieren.

Pausenzeiten und Gestaltung

Die Pausenzeiten unterscheiden sich etwas vom klassischen Maximalkraft- oder Hypertrophietraining. Tendenziell sollten die Pausen jedoch eher lang sein.
Für den Unterkörper wie oben schon einmal erwähnt, würde sich Folgendes anbieten:
Nach der ersten Übung, sprich der eher kraftlastigen Übung, werden ca. 3 - 5 Minuten Pause gemacht.
Nach der Schnellkraftübung etwa 1,5 - 4 Minuten Pause. Baut man noch die Wettkampfübung mit ein, macht man nach der Schnellkraftübung etwa 2 Minuten Pause (man macht ja auch weniger WDH) und danach die Wettkampfübung gefolgt von einer 1-3 minütigen Pause.

Beispiel für zwei Übungen:
  • 1 Satz Kniebeugen
  • 3-5 Min Pause
  • 1 Satz plyometrische Übung bspw. Tiefsprünge
  • 1,5-4 Min Pause ( Pausenlänge abhängig von der Intensität der Schnellkraftübung; Tiefsprünge oder einbeinige Sprünge aus dem Laufen haben eine höhere Intensität als beidbeinige Sprünge aus dem Stand)
  • von vorne

Bei einem 3er-Komplex könnte es so aussehen:

  • Kniebeugen: 3 Wdh. mit 90% des 1RM (3-5 Min Pause)
  • Sprungkniebeugen: 4 Wdh. mit 10-25% 1 RM (2 Min Pause)
  • Hochsprung: 2x, maximal 1 Min Pause zwischen den Wdh. (2 Min Pause)

Da die Pausen wie ihr gesehen habt sehr lang sind, macht es häufig Sinn Oberkörper und Unterkörper zusammen zu trainieren. Man würde also in der Pause nach den Kniebeugen das Bankdrücken machen. Danach dann die Tiefsprünge und darauf folgend die Medizinballbrustpässe im Liegen.
So nutzt man die Pausen effektiv und trainiert sowohl die Oberkörperschnellkraft als auch die Unterkörperschnellkraft.
Alternativ kann man in den Pausen auch mit dem klassischen Krafttraining anderer nicht oder kaum in der Bewegung involvierten Muskelgruppen fortfahren.

Wichtige Trainingshinweise

Es müssen maximale Intensitäten folgen, dass heißt ihr müsst motiviert und ausgeruht sein, solltet 48 Stunden vor und 48 Stunden nach der Trainingseinheit keine anstrengenden aeroben oder anaeroben Ausdauerleistungen erbringen bzw. erbracht haben.
Beim Krafttraining sollte das Gewicht kontrolliert negativ herabgelassen werden und dann eine maximal explosive positive Bewegung folgen.
Gleiches gilt für die Schnellkraftübungen, welche auch mit maximaler Intensität erfolgen müssen.
Es wird eine Satzzahl von 2-6 Serien genutzt. Am Anfang fängt man natürlich eher mit weniger an und kann dann schauen, was für einen persönlich funktioniert und wie hoch die sonstige Trainingsbelastungen der Woche ist. Das Training sollte jedoch immer an dem Punkt abgebrochen werden, wo man merkt, dass man die Übungen nicht mehr mit 100%iger Intensität ausführen kann und die Bewegungsausführung aufgrund von Ermüdung leidet. Die Qualität der Bewegung ist viel viel wichtiger als die Quantität, also das reine Volumen. Zwei ordentlich ausgeführte Komplexe mit 100%iger Intensität haben einen wesentlich höheren Trainingseffekt als 10 ausgeführte Komplexsätze mit 90%.

Abschluss:
Ich hoffe, ich konnte euch mit diesen Videos und dem Artikel erklären, was das Komplextraining ausmacht, wie man es prinzipiell anwendet und warum es so einen enormen Vorteil verschafft.
Ich werde in weiteren Videos und Artikeln noch einzelne Komplextrainingspläne für verschiedene Sportarten online stellen, die ihr dann ggf. ausführen könnt.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Training! Danke sehr und auf Wiedersehen!


Quellen:
"Journal of Sports Science and Medicine (2002) 1, 42-46
http://www.jssm.org
Review article
COMPLEX TRAINING: A BRIEF REVIEW
William P. Ebben !"

"COMPLEX TRAINING WITH COMBINED EXPLOSIVE
WEIGHT TRAINING AND PLYOMETRIC EXERCISES
by William P. Ebben and Douglas O. Blackard"

"Martin D, Carl K, Lehnertz K. Handbuch Trainingslehre. Beiträge zur Lehre und Forschung
im Sport. Schorndorf: Hofmann; 1993"

"Einführung in die Trainingswissenschaft – Hohmann, Lames und Letzelter"

"High-Performance Sports Conditioning by Bill Foran – Modern Training for ultimate athletic development (Human Knetics)"

3 Kommentare:

  1. hallo
    ich spiele fußball und mache im kraftraum vorm krafttraining immer umsetzen /reißen
    mache immer 3 -4 wh und 4 min pause
    ist das OK
    oder sollte ich auchmal 8 min machen?

    PS beim erwärmen mache ich nur 2 wh und da sagar NUR 3 min pausen ?

    ist das OK

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  2. gibt es eine settigung für explosivkrafttraining wie beim reaktivkrafttraining nach 4 wochen

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  3. Hi,

    ich bin seit kurzem erst auf FastestAthletes aufmerksam geworden. Die YouTube Videos sind sehr informativ und ich habe gleich den Kanal abonniert. Besonders das Video zum komplextraining war sehr interessant. Ich möchte nämlich gerade mein Training auf mehr Agilität umstellen. Ich selber trainiere 3 - 4x wöchentlich Capoeira und mache zusätzlich ein selbstgestaltets Workout auf Zirkel Training Basis. Habt ihr Erfahrungen mit Capoeira bzw. Kampfsport und evtl. Tipps bzw. Anpassungsideen an euer komplextraining?

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